Bisher wurden das Verfahren und die Rahmenbedingungen der Anfechtung eines Staatsexamens erläutert.
Was nun noch fehlt, ist ein Überblick über die eigentlichen Fehler, die eine Prüfung anfechtbar machen
und in welchem Stadium des Verfahrens diese Fehler geltend gemacht werden können. Grundsätzlich ist zu
unterscheiden zwischen dem Überdenkungsverfahren und dem eigentlichen Widerspruchs- und Klageverfahren.
Im Überdenkungsverfahren kann alles geltend gemacht werden, was den Prüfer zu einer Anhebung der Note bewegen könnte.
Es kann also jede falsche Gewichtung oder Fehleinschätzung gerügt werden und auf jede Stärke der Bearbeitung hingewiesen werden.
Im dann anschließenden Verfahren ändert sich allerdings der Maßstab entscheidend. Vor allem im Klageverfahren sind nur noch deutlich weniger Fehler rügefähig.
Verfahrensfehler sind grundsätzlich immer beachtlich. Diese fallen nicht in den Bereich der Beurteilungsermächtigung und
können sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren geltend gemacht werden.
Verfahrensfehler sind Fehler im Ablauf oder in der Ausgestaltung der Prüfung. Grundsätzlich muss die Prüfungssituation
von den äußeren Bedingungen so ausgestaltet sein, dass eine Abrufung der vollen Leistungsfähigkeit möglich ist.
Ein äußerer Verfahrensfehler betrifft alles sinnlich Wahrnehmbare und kann zum Beispiel in
der Beeinträchtigung der Prüflinge durch Lärm (zum Beispiel Baulärm) liegen. Die Anforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden.
Ein relativ kleiner Tisch stellt zum Beispiel bis zu einer Größe von 70 cm x 70 cm keinen Verfahrensfehler,
sondern eine geeignete Arbeitsfläche dar. Ein innerer Verfahrensfehler betrifft Aspekte der Ermittlung und Bewertung der Prüfungsleistung.
Hierhin gehören auch rechtliche Fehler im Verfahren. Ein Beispiel wäre die falsche Besetzung der Prüfungskommission oder die unzulässigen Prüfungsgegenstände.
Verfahrensfehler bringen einige Besonderheiten mit sich: Zunächst besteht für die sinnlich wahrnehmbaren,
also die äußeren Verfahrensfehler, eine Rügeobliegenheit seitens des Prüflings. Wenn den Prüfling während
der Prüfung etwas stört, muss er die Aufsicht darauf aufmerksam machen, sonst kann der Fehler später nicht geltend gemacht werden.
Dieser Rügeobliegenheit ist allerdings genügt, wenn einer der anwesenden Prüflinge die Aufsicht auf den Fehler aufmerksam gemacht hat.
Keinesfalls muss jeder einzelne Kandidat auf z.B. unerträgliche Kälte hinweisen. Auch müssen innere, also rechtliche Verfahrensfehler,
nicht gerügt werden. Eine weitere Besonderheit bei Verfahrensfehlern ist die Notwendigkeit der Kausalität zum Prüfungsergebnis.
Es muss zumindest denkbar sein, dass der Verfahrensfehler auf das Ergebnis der Prüfung Einfluss gehabt hat.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass ein Verfahrensfehler immer nur zu einer Neuvornahme der Prüfung führen kann.
Es kann nicht erreicht werden, dass die Prüfung besser bewertet oder die Note angehoben wird.
Ein Prüfling sollte sich also überlegen, ob er einen weiteren Prüfungsversuch möchte, möglichst, bevor er sich auf einen Verfahrensfehler beruft.
Auch Beurteilungsfehler sind grundsätzlich immer beachtlich. Das Problem ist hier die Abgrenzung zwischen beachtlichen Beurteilungsfehlern
und den prüfungsspezifischen Wertungen, die im Beurteilungsspielraum des Prüfers liegen. Alles, was im Beurteilungsspielraum des Prüfers liegt,
ist im Widerspruchs- und Klageverfahren unbeachtlich (aber im Überdenkungsverfahren rügefähig).
Ein Beurteilungsfehler liegt vor, wenn:
Bei diesen genannten Fehlern ist ein Widerspruchs- oder Klageverfahren erfolgreich.
Das Erkennen dieser Fehler ist nicht ganz einfach, die Erfolgsaussichten sind dann aber durchaus hoch.